Foto: imago / Cinema Publishers Collection
Als Ermittlerin in der TV-Serie „Cold Case" wurde sie von 2003 bis 2010 zum internationalen Star. Die 53-jährige Mutter von autistischen Zwillingen betreibt heute eine Ratgeber-Website für betroffene Familien und spielt in der Mystery-Komödie „Hayseed" wieder eine Hauptrolle.
Man erkennt mich auf der Straße und spricht mich im Lokal mit ‚Hey, Lilly‘ an", sagt Kathryn Morris in einem Kabel Eins-Interview über ihre Ermittlerinnen-Rolle in der weltweit erfolgreichen US-Serie „Cold Case", die von 2003 bis 2010 in Erstausstrahlung lief und heute noch überall zu sehen ist. Sie sei wohl so was wie eine Freundin, die regelmäßig in den Wohnstuben zu Besuch kommt: „Das ist ein Gefühl, das einem nur eine Serienrolle geben kann!"
Dass in Europa Seriendarsteller oft als „Filmschauspieler zweiter Wahl" wahrgenommen werden, kann Morris nicht verstehen. In den USA reißen sich gestandene Filmschauspieler um Serienrollen. „Solches Crossover funktioniert bei uns ohne Gesichtsverlust, nicht zuletzt weil solche Serienproduktionen ein sehr hohes Niveau haben und sich durchaus mit dem Kino messen können", betont Morris. Obwohl sie zuvor bereits zweimal mit Steven Spielberg gedreht hat und mit Stars wie Tom Cruise oder Jude Law vor der Kamera stand, ist sie überzeugt, „dass sich mein Status durch ‚Cold Case‘ sehr verändert hat und ich heute für die Leute so was wie ein Star bin".
Haderte erst mit Diagnose
„Cold Case" sei für sie jedenfalls die Erfüllung eines Traums, möglicherweise auch deshalb, weil niemand mit dem Erfolg dieser eher stillen, wenig spektakulären Serie rechnen konnte. Die Rolle der Lilly Rush sei ihr auf den Leib geschnitten gewesen: „Ich glaube, dass ich wie Lilly ein ausgeprägtes Gespür dafür habe, was richtig und was falsch ist, und ich Unrecht nur sehr schwer ertragen kann." Auch darin, dass hier in einer sonst männerdominierten Welt eine Frau ermittelt, die „es nicht für nötig hält, ihre Weiblichkeit jeden Tag und jedem Mann zu beweisen und deshalb keine Lust hat, sich aufzudonnern", sieht Morris Parallelen zu ihrer Serienfigur.
Nach dem Ende von „Cold Case" blieb Morris weiter gut im Geschäft, bis sie 2013 mit ihrem Mann die Zwillinge Rocco und Jameson bekam und ihre beruflichen Aktivitäten wegen der Familie zurückschrauben musste. Als sie dann drei Jahre später damit konfrontiert wurde, dass beide Söhne eine Autismus-Spektrum-Störung haben, verschoben sich die Akzente ihrer Aufmerksamkeit nochmals weiter auf die Betreuung ihrer Kinder. Sie habe diese Situation zuerst wie paralysiert wahrgenommen, sie habe viel geweint und gebetet, dann aber die Behinderung ihrer Zwillinge angenommen: „Sie sind perfekt! Heute kann ich sie mir ohne Autismus gar nicht mehr vorstellen", betont sie und ergänzt, dass sie durch die Bewältigung dieser schwierigen Phase zu einer besseren Mutter und einem besseren Menschen geworden sei. Dabei habe sie eine „verborgene Gesellschaft kranker Kinder" und „bankrotte, überforderte Familien" kennengelernt, die sich tapfer mit der Behinderung auseinandergesetzt haben. Als wohlhabende Schauspielerin sei sie in einer privilegierten Situation gewesen und habe alles Mögliche tun können, um ihren Söhnen die besten Therapien zukommen zu lassen. Zum Glück habe sie dann auch die Inhaberin der Agentur „California Care 4 U" kennengelernt und durch sie von den vielen finanziellen und ideellen Hilfsmöglichkeiten für verzweifelte Familien erfahren. Die Corona-Pandemie habe zuletzt diese Probleme Betroffener noch mal verstärkt. Deshalb hat Morris 2021 die Website und das Unterstützungsnetzwerk „The Savants" ins Leben gerufen, auf der von Autismus betroffene Familien Hilfsangebote erhalten können, um ihr schweres Schicksal besser meistern zu können. „Ich entwickle Inhalte, um Licht in die Welt der Autismus-Community zu bringen", beschreibt Morris dem US-Magazin „Today" ihre Zielsetzung. Durch ihre vielen Verbindungen konnte Morris inzwischen auch das Leben ihrer Söhne lebenswerter gestalten und hat sich mit ihnen sogar auch schon mal auf einem roten Teppich gezeigt. „Unsere Jungs haben immer noch Autismus. Aber unsere frühen Gegenmaßnahmen haben ihnen mehr Gesundheit beschert", sagte Morris gegenüber „Today" über ihre „glücklichen Viertklässler!" Ihr lange sprachbehinderter Sohn könne heute sogar sprechen, lachen, singen und laufen. „Als er sagte: ‚Mami, ich liebe dich!‘, war ich total happy!", freute sich die leidgeprüfte Mutter.
Mitwirkung in Film-Biografie
Sie könne heute wieder schlafen, blühe als Mensch auf und sei nun bereit, ihre Karriere als Schauspielerin und Produzentin wieder aufzunehmen. So kehrte Morris bereits 2017 in dem Film „You Get Me" vor die Kamera zurück. 2019 gehörte sie zur Besetzung der Film-Biografie „The Dirt – Sie wollten Sex, Drugs & Rock’n’Roll" über die Band Mötley Crüe. Zuvor war sie bereits 2016 in drei Folgen der TV-Serie „Colony" und 2018 in zehn Folgen von „Reverie" („Träumereien") auf dem Bildschirm zu sehen. Gerade beendet hat Morris die Dreharbeiten für die Mystery-Komödie „Hayseed", in der sie die Hauptrolle spielt. In diesem Streifen, der wahrscheinlich in den nächsten Monaten ins Kino kommen wird, versucht eine Kirchengemeinde, den Tod ihres Reverends aufzuklären.
Zur Person
Kathryn Morris, geboren am 28. Januar 1969 in Cincinnati/Ohio, sang als Fünfjährige in der Gospelgruppe ihrer Eltern. Nach dem Schulabschluss studierte sie einige Jahre an der Temple University in Philadelphia. Als Schauspielerin debütierte sie 1991 im TV-Film „Sehnsucht ohne Grenzen" und war danach in Gast- und Nebenrollen auf dem Bildschirm sowie in Rollen in großen Kinofilmen zu sehen, etwa in „Besser geht’s nicht" (1997), „Rufmord" (2000), „A.I. – Künstliche Intelligenz" (2001) oder „Minority Report" (2002). Ihren Durchbruch hatte sie 1997 in der TV-Serie „Pensacola: Flügel aus Stahl" und 1999 in dem Film „Wer Sturm sät". Mit der Hauptrolle der Lilly Rush in der TV-Serie „Cold Case – Kein Opfer ist je vergessen" wurde sie ab 2003 zum internationalen Star. Als Mutter von autistischen Zwillingen musste sie ab 2013 etwas kürzertreten, arbeitete aber weiter als Darstellerin und Produzentin. Sie ist mit ihrem Kollegen Johnny Messner verheiratet.